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Durst wird durch Bier erst schön

ALS AUS EINBECK DAS BOCKBIER KAM

Bier wurde vor allem in Norddeutschland getrunken. Dort hatten die Städte und bald auch die Zünfte das Biergeschäft fest in der Hand. Denn inzwischen wurde am Bier schon viel verdient. BOCKBIER

Fayence-Walzenkrüge (18. Jahrhundert) Bereits um 1200 führten norddeutsche Brauereien über den Hafen Bremen viel Bier nach Flandern und Skandinavien aus. Magdeburg exportierte ab 1023. Die Städte wehrten sich beharrlich gegen jede Bevormundung durch die Landesherren; deshalb gab es ständig Ärger.

Immerhin hatten die Städte einen ausgezeichneten Fürsprecher, wenn der auch schon eine Weile tot war: König Heinrich - jenen, der dem Lied nach am Vogelherd saß. Heinrich hatte im zehnten Jahrhundert gegen die Ungarn Burgen bauen und Städte befestigen lassen. Er erfand die »Bürger« und befahl, in den ummauerten Ansiedlungen Lebensmittellager einzurichten. In diesem Zusammenhang räumte er den Städten und ihren Bürgern das Recht ein, Bier zu brauen und im Umkreis von einer Meile auch zu verkaufen.

Darauf beriefen sich nun die Städte. Kein Zweifel, es war rechtens: Jeder vollberechtigte Bürger durfte brauen. Und viele Städte konnten sich damit gegen ihre Fürsten durchsetzen. Kaiser Friedrich II. überließ 1250 der Stadt Regensburg das volle Braurecht. Dortmund bekam es 1293 von Adolf von Nassau, allerdings nicht umsonst. König Adolf brauchte Geld. Drum kauften ihm die Dortmunder das Braurecht ab. Und stürzten sich mit solchem Eifer auf die Brauerei, dass Dortmund noch heute Deutschlands größte Bierstadt ist.

Auch Münster, Bielefeld und Minden brauten Bier. Als Dortmund dorthin lieferte, gab es Krach. Die Städte schützten ihre Brauereien (denn von denen bekamen sie Steuern). Dortmunder Fahrzeuge wurden beschossen. Worauf die Dortmunder ihre Wagen bewachen ließen; wer beim Schießen auf die Fässer erwischt wurde, den ersäufte man im Bier.

In Norddeutschland entwickelte sich ein Brauerei-Boom. Bier wurde ein begehrter Handelsartikel. Die erste und älteste Bierhandelsstadt war Bremen. Es lieferte im 13. Jahrhundert riesige Mengen von Bier nach Skandinavien, England, Holland und Belgien. Doch bald war Hamburg noch besser im Geschäft.

In diesen goldenen Zeiten des Bierhandels spielte die Hanse, die im zwölften Jahrhundert gegründet worden war, eine große Rolle. Es war eine Vereinigung freier Städte im norddeutschen Raum, aber auch in Norwegen und Belgien. Die handelten unter sich Verträge aus, die den gemeinsamen europäischen Markt vorwegnahmen. Man lieferte einander (und exportierte außerdem) Lebensmittel - Wein, Öl und Getreide -, aber auch Leder und Stoffe, Kupfer und Eisen. Die Hanse richtete es ein, dass es in London polnischen Senf gab, in Brügge türkische Rosinen, in Bergen italienische Feigen.

Und überall norddeutsches Bier. Das kam mit Ochsenwagen und Schiffen in halb Europa herum. Man fand es als Verpflegung und Exportware auf fast allen Handelsschiffen. Die Braunschweiger »Mumme« war so stark und haltbar, dass man sie bis nach Ostindien verschiffte. Und das Bier aus dem niedersächsischen Einbeck ging mit Pferdewagen bis nach Reval, auf Segelschiffen bis nach Jerusalem.

Oberbayrische HochzeitskrügeStädte, die der Hanse nicht angehörten, mochten diese kaufmännischen Verflechtungen nicht besonders. Holländische Städte wehrten sich gegen Bier aus Hamburg, Regensburg mochte Dortmunder Bier nicht gelten lassen. Aber andere Städte - wie Ulm und Erfurt - machten es gerade umgekehrt. Sie importierten fremdes Bier. Und erhoben gewaltige Steuern darauf. Augsburg machte es ähnlich, allerdings erst 1433, als eine Mißernte zu wenig Getreide brachte. Da erlaubte der »Erbare Rat zu Augsburg« die Einfuhr von Bier. Aber der Zoll war niedrig.

Vom 13. bis zum 16. Jahrhundert war Bier eine norddeutsche Angelegenheit. Die Hansestädte wurden reich davon - teils durchs Brauen, teils durch den Handel.

Hamburg hatte im 16. Jahrhundert 600 Brauereien. In denen arbeitete die Hälfte aller Gewerbetreibenden der Stadt. Jährlich wurden 25 Millionen Liter Bier gebraut. Hamburg galt als »Deutschlands Bierhaus« und exportierte schließlich mit seinen Lastsegelschiffen auch nach Schweden und Russland. Hamburger Bier wurde in Riga, Danzig und Helsingborg getrunken.

Ganz Norddeutschland muss damals ein riesiges Bierlager gewesen sein. Die Schiffe, die den Rostocker Hafen verließen, hatten schon im 14. Jahrhundert vor allem Bier geladen. Sie transportierten es vorwiegend nach dem belgischen Hafen Brügge - falls sie nicht auf halbem Weg von den Dänen gekapert wurden. Die verschafften sich auf diese Weise ihr Bier sehr billig. Sie waren zwar keine Wikinger mehr, aber immer noch durstig. So sehr, dass das sogar Shakespeare im »Hamlet« ausdrücklich vermerkte: »Man heißt uns Säufer, und fürwahr...«.

Aber die Norddeutschen tranken nicht weniger. Ein Matrose bewältigte damals pro Tag spielend seine zwölf Liter Bier. Man kann das den Abrechnungen entnehmen, die von einigen Kleinkriegen zwischen den Hansestädten und Dänemark übriggeblieben sind. Die Ausgaben fürs Bier waren fast jedesmal der größte Posten. Lübeck war sparsam; da machten die Aufwendungen fürs Bier nicht ganz die Hälfte der Kriegskosten aus. Bei Stralsund waren es zwei Drittel.

>> Als aus Einbeck das Bockbier kam - Teil III

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