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Durst wird durch Bier erst schön

EINST WAR DAS BRAUEN FRAUENSACHE

Die Weltgeschichte ist voller Vorurteile. Die Biergeschichte auch. Zum Beispiel, wenn man annimmt, dass das Bierbrauen (und das Biertrinken) ausschließlich Männersache sei. BRAUEN

In der Geschichte des Biers spielen zwar die Klosterbrauereien eine bedeutende Rolle. Aber es gibt ja auch Nonnenklöster. Nicht etwa ein Abt hat sich als erster wissenschaftlich über die Brauereikunst ausgelassen. Es war eine Äbtissin: Hildegardis von Bingen. Die war Benediktinerin und lebte von 1098 bis 1179. Sie lebte also 81 Jahre, und das war für die damalige Zeit ein schier unglaublich hohes Alter. Möglicherweise hatte das Bier, von dem sie viel verstand, etwas damit zu tun.

Hildegard war unter anderem Ärztin und Naturforscherin. Und sie schrieb als erste darüber, was der Hopfen im Bier bewirkt - in ihrem Buch »Von dem inneren Wesen der Naturen«.

Aber sie war keineswegs die erste Frau, die sich ums Bier kümmerte. Bei den Germanen war das Brauen Frauensache; es gehörte in die hauswirtschaftliche Abteilung wie Kochen und Backen. In den Bräuhäusern des frühen Mittelalters sah man nur Frauen. Und die Dichter der Kalevala kamen gar nicht auf die Idee, jemand anders als eine Frau könne sich ums Bier kümmern.

Im Mittelalter gehörte der Braukessel zur Mitgift. Und es war Sitte, dass eine Frau, die gebraut hatte, ihre Nachbarinnen zu einem »Bierkränzchen« einlud. Bei dem war es oft üblich, Brot ins Bier zu brocken und so zu essen. (Daraus wurden dann später die weit spießigeren Kaffeekränzchen.)

Waren die »Bierkränzchen« noch recht brav und gesittet - die »Weiberzechen« und »Weiberschulen« waren es nicht unbedingt. Die gab es im Mittelalter ebenfalls; Kneipen, in denen nur Frauen zugelassen waren.

Dass man in Nonnenklöstern viel vom Brauen verstand, haben wir schon gesagt. Auch Martin Luther wusste eine ganze Menge vom Bier. Aber das hatte er von seiner Frau. Die hieß Katharina von Bora und war Brauerin von Beruf. Das hatte sie im Kloster gelernt. Dort hatte sie auch die Brauberechtigung bekommen - und später privat weiter genützt. Nachdem sie Luther geheiratet hatte, braute sie zuhause. Und Martinus schwärmte von ihren Braukünsten. Oft bekam er Bier von Fürsten und Stadtvätern als Ehrengabe geschenkt. Zu seiner Hochzeit gab es sogar ein Fass Einbecksches. Aber Katharinas Bier blieb sein Leibgetränk. Von unterwegs schrieb er an seine »gnädige Jungfer Katharina Lutherin von Bora und Zulsdorf, meinem Liebchen«, sie möge doch »ein Pfloschen ihres Bieres zu ihm schicken so oft sie könne«.

Und er drohte, wenn Katharina zögere, ihm von ihrem Bier zu schicken, würde er »vor dem neuen Bier einfach nicht nach Hause kommen«.

Hundert Jahre später lebte Clara von Bar. Während des Dreißigjährigen Krieges wurde sie im Feldlager des Marschalls Tilly geboren. Die Mutter starb bald nach der Geburt. Der Vater verließ die Truppe, zog mit dem Kurfürsten Maximilian nach Ingolstadt und heiratete wieder - die Bürgermeisterstochter von Schrobenhausen. Clara verliebte sich in einen jungen Schrobenhausener, der zu einer Bierbrauerfamilie gehörte, heiratete ihn, hieß nun Oefele und wurde eine tüchtige Bierbrauersfrau.

Clara war schön, gesund, selbstbewusst. Ihre Frische und Herzhaftigkeit reizte die Kriegsmänner, die gewohnt waren, sich zu nehmen, was ihnen gefiel. Doch sie hatten die Rechnung ohne die Wirtsfrau gemacht. Einen Reiterobristen des Generals Wrangel ließ Clara so energisch abfahren, dass er das nicht überlebte.

Das war problematisch. Eine Bierbrauersfrau, die einen Offizier umbringt, weil sie sich nicht vergewaltigen lassen will - das konnte nicht gutgehen. So brachte Christof seine Frau nachts, in einer riesigen Fuhre Stroh verpackt, aus der Stadt.

Clara fand Zuflucht im Kloster Meiningen. Bei den Nonnen war sie in Sicherheit. In der Klosterbrauerei machte sie sich nützlich. Doch sie wollte wieder nach Hause. In Männerkleidern kam sie heim. Als »der Cousin« lebte sie eine Weile glücklich mit ihrem Mann in Schrobenhausen und braute - wie früher. Doch Claras Verkleidung war so echt, dass man sie von der Straße weg als Soldat rekrutierte. Sie hatte nicht einmal Zeit, von Mann und Kindern Abschied zu nehmen.

Mit ihrem Regiment kam sie zu den kaiserlichen Truppen in Böhmen und kämpfte mit ihnen gegen die Schweden. Als am Ende des Krieges der Westfälische Friede zustande kam, war Clara Oefele gerade 28 Jahre alt. Sie wollte nach Hause. Doch die Nachrichten aus Schrobenhausen waren niederschmetternd. Ihr Mann sei umgekommen, erfuhr sie. Der ganze Ort sei bis auf den Boden zerstört, die Brauerei geplündert. Das Land um Schrobenhausen gliche einem Leichenacker.

Clara schien es am sichersten, bei ihren Kameraden zu bleiben. Sie zog mit den kaiserlichen Soldaten gegen die Woiwoden von Siebenbürgen und gegen die Türken.

Das dauerte fast zwei Jahrzehnte. Dann, bei der Rückkehr über Wien, bekam Clara die Pest. Die Seuche raffte Tausende dahin, Clara überlebte. Und nun machte sie sich endgültig auf den Heimweg, nach Schrobenhausen - egal, wie es dort aussehen mochte.

Als Clara endlich zu Hause ankam, hielt das Schicksal eine neue Überraschung bereit. Die Brauerei Oefele war in Betrieb! Clara konnte es kaum fassen. Ihre Kinder hatten das Chaos überlebt. Franz, der Sohn, hatte die Brauerei, so gut es ging, weitergeführt.

An der Freude über die Rückkehr der längst totgeglaubten Clara Oefele nahm ganz Schrobenhausen teil. Clara packte an. Mit ihrem Sohn baute sie die Brauerei aus.

Ein Jahrhundert blieb das Unternehmen im Besitz der Familie. Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts wechselte es durch Einheirat in eine andere Brauersfamilie. Doch bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts bestand die »Brauerei zum Oefele«.

Susanne Hiernickel, Mälzerin und Brauerin

>> Schwester Braumeisterin

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